Gut 30 % der emittierten Treibhausgase werden durch die Immobilien- und Bauwirtschaft freigesetzt, das betrifft auch die Hospitality Branche. Viel zu häufig wird günstig und schnell mit schadstoffreichen Materialien gebaut und renoviert. Die Nachnutzung der verbauten, wertvollen Rohstoffe wird dabei oft nicht mitgedacht. Doch an Morgen und Übermorgen denken ist wichtig! Eine Transformation muss her. Weg von billig, ungesund, schädigend und hin zu schadstofffreiem Raumklima, bauökologischen und gesundheitsfördernden Materialien, regenerative Energie, Kreisläufe, Drittverwertbarkeit, damit auch zukünftige Generationen noch Rohstoffe und Ressourcen nutzen können.
Am 15. September luden wir deshalb gemeinsam mit elevatr zum Event ‘Nachhaltiger Neubau und Refurbishment: Klimahaus A, Cradle to Cradle, Impact hospitality’ ein. Als Speaker:innen dabei waren: Ingrid Ladurner vom preisgekrönten vigilius mountain resort (Klimahaus A, Architektur von Matteo Thun), Jörg Cieslak von auping (Cradle to Cradle Certified® Hotelmatratze), Angélique Krauter von Dansk Wilton (Cradle to Cradle Certified® Teppichböden für Hotels, Gastro & Co.), Christina Biasi-von Berg vom Architekturbüro BIQUADRA (auf natürliche Bauweise spezialisiert), Stefan Matthiessen (ehemals) von Koncept Hotels (eine der nachhaltigsten Hotelgruppen Deutschlands), Mathilde Plot von kipli (klimafreundliche Hotelmatratzen) sowie Lena Junker vom Cradle to Cradle Verein aus Berlin.
Gemeinsam mit den erfahrenen Speaker:innen wollten wir aufzeigen, wie eine nachhaltige Transformation gelingen kann. Unsere Takeaways findest zu nachfolgend zusammengefasst:
- Die Architektin Chritina Biasi-von Berg zeigte auf, dass eine nachhaltige Neuausrichtung nicht bedeutet, dass man alles Alte, vermeintlich Schlechte wegschmeißt, um neue, nachhaltige Materialien und Produkte zu kaufen. Vielmehr gehe es darum, am Anfang eines jeden Bauprozesses inne zu halten und sich die Frage zu stellen: Was möchte ich eigentlich erreichen und welche Mittel habe ich? Denn alles fängt mit einer Analyse an. Es gilt zu analysieren, was bereits vorhanden ist und wie man das Vorhandene verwenden kann. ‘Und daraus entsteht ein nachhaltiger Umgang mit der Bausubstanz.’ Doch nicht nur bei der Renovierung von Bauobjekten gilt es auf Nachhaltigkeit zu achten, auch beim Neubau sollte dies eine große Rolle spielen. Ihre Devise beim Neubau: ‘Etwas schaffen, das bleibt’ und darauf achten, dass dies auch in Zukunft sanierungsfähig ist.
- Jörg Cieslak war für die Firma Auping da. Auping hat als Gegenstück zur Wegwerfgesellschaft die weltweit erste komplett kreislauffähige Matratze entwickelt. Warum eine zirkuläre Matratze Sinn macht? Jedes Jahr werden alleine in der EU 35 Millionen Matratzen weggeworfen. Er zeigte auf, dass Nachhaltigkeit nicht schwarz weiß ist. Denn die zirkuläre Matratze ist aus Stahl und Polyester, also Plastik. Aber dieses Plastik kann eben immer wieder verwendet werden. ‚Ein mal Matratze immer Matratze. Und dadurch können wir den Prozess immer wieder in einem Kreislauf weiterführen.‘
- Wir drehten uns weiter im Kreis, und zwar mit den kreislauffähigen Teppichböden von Dansk Wilton. Angélique Krauter nahm uns an die Hand und stellte ihre Firma und Unternehmensphilosophie vor. Eine Reihe der Teppiche wird zu 80% aus Recyclingmaterial gefertigt, wie bspw. PET Flaschen. Das neueste Produkt besteht aus 80% ungefärbter Wolle, durch den Verzicht auf den Färbeprozess wird ein weiterer positiver Beitrag geleistet. ‚Wir sind der festen Überzeugung, dass man sofort einen guten Ort spüren kann, dass dieser positiv wirkt und dass wir dadurch positive Gästeerfahrungen hervorrufen können.‘
- Auch Mathilde Plot von kipli griff das Thema der positiven Gäst:innenerfahrungen auf. Denn die Matratzen des französischen Unternehmens nutzen ausschließlich natürliches Latex für einen erholsamen Schlaf auf nachhaltigen, nicht toxischen Materialien. Dieses Material ist ein nachwachsender Rohstoff und garantiert somit nicht nur gesunden Schlaf, sondern auch den Schutz der Umwelt.
- Einen Einblick in ein Best Practice Beispiel aus der Hotellerie gab uns Ingrid Ladurner vom vigilius mountain resort. Ihr Vater ist Unternehmer und wollte das Hotel zu etwas Einzigartigem machen. Als er den Architekten Matteo Thun traf, war es ‘Liebe auf den ersten Blick’ und die beiden teilten fortan ihre Vision von einem klimafreundlichen “eco not ego” Hotel. Dass Nachhaltigkeit auch von der Beständigkeit und dem Wissen über die verwendeten Materialien lebt, zeigt das Resort auf eindrucksvolle Weise. Für den Bau wurden lokale und natürliche Ressourcen verwendet, wie bspw. Holz aus angrenzenden Wäldern oder Gestein aus einem naheliegenden Tal. Die Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro hält bis heute an und immer wieder werden Designfragen geklärt, wodurch man sieht: Die Zusammenarbeit zwischen Architekt:innen und den Objekten sollte nicht mit der Schlüsselübergabe enden. Was sich Ingrid Ladurner für die Zukunft wünscht? ‘Nachhaltigkeit als Normalzustand’
Wer billig kauft, kauft zweimal
Anschließend folgte eine Diskussionsrunde mit den Teilnehmenden, in der klar wurde, dass die Nutzung von nachhaltigen Materialien sich gleich in mehreren Bereichen positiv auswirkt. Stefan Matthiessen von den Koncept Hotels zeigte auf, dass sich die Investition in qualitativ hochwertige Materialien lohnen würde, denn ‚Wenn du billig kaufst, kaufst du zweimal‘. Häufig ist es gerade die Bauindustrie, die Kostenvorurteile gegenüber nachhaltigen Materialien schürt. Dabei sind es nach Matthiessen vor allem ‘die kleinen Maßnahmen – sowohl im ökologischen baulichen Sinne als auch im ökonomischen und sozialen Bereich, die so einen Impact haben.‘ Angélique Krauter von Dansk Wilton betonte außerdem, dass nicht nur Gäste sondern auch Mitarbeiter:innen von der Nutzung guter Materialien profitieren würden, bspw. durch ein besseres Raumklima.
“Nicht die gestiegene Biomasse der Menschheit ist unser Problem, sondern unsere zu wenig genutzte Hirnmasse.”
Zum krönenden Abschluss des Events führte uns Lena Junker in die Welt von Cradle-to-Cradle ein. Unter anderem setzt sich der Cradle to Cradle e.V. für die Kreislauffähigkeit von Materialien ein. Wie solche Kreisläufe aussehen können? Man kann zwischen biologischen Kreisläufen und technischen Kreisläufen unterscheiden. Bei biologischen Kreisläufen wird ein Produkt aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt, das am Ende der Nutzung komplett abgebaut werden kann, es wird also verbraucht. Bei technischen Kreisläufen wird ein Produkt aus bereits vorhandenen Rohstoffen aufbereitet, genutzt und nach der Rückgabe restlos in seine Einzelteile zerlegt. Dann kann es wieder aufbereitet werden, damit sich der Kreislauf schließt, das Produkt wird also gebraucht. Beide Kreisläufe überschneiden sich allerdings, so gibt es bei technischen Kreisläufen bspw. bei Autos einen Abrieb der Reifen, und dieses Material, was in die Umwelt gelangt, muss abbaubar sein. Das Gegenargument lautet häufig: Für so ein Wirtschaftssystem gibt es zu viele Menschen auf der Erde, die die Ressourcen belasten. Lena kontert mit einem Vergleich zu Ameisen, die von ihrer Biomasse her vier mal mehr sind als wir Menschen und trotzdem die Erde nicht kaputt machen. Deshalb sagt sie: ‚Nicht die gestiegene Biomasse der Menschheit ist unser Problem, sondern unsere zu wenig genutzte Hirnmasse.‘ Lenas Ziel? Der Cradle to Cradle e.V. schafft sich ab, da Kreislauffähigkeit selbstverständlich ist.
Du bist neugierig geworden und würdest dir gerne das Webinar in voller Länge anschauen? Kein Problem! Zur Aufzeichnung hier entlang: Videolink.
Autorin: Maite Kühn